Seiteninhalt
23.11.2023

Stoppt Gewalt gegen Frauen

Aktion am Rathausplatz – Aufruf zum Mitmachen

Mitmachen können alle – jeden Tag und ganz besonders zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen. Am Freitag, 24. November, findet um 13.30 Uhr eine Foto-Kampagnen-Session auf dem Rathausplatz statt, zu der alle Menschen herzlich eingeladen sind. Im Vorfeld fertigen die Gleichstellungsstelle und ihre Kooperationspartnerinnen hierfür Schilder mit aussagekräftigen Sprüchen gegen Gewalt an Frauen.

Oberbürgermeister Christian Scharpf und die Bürgermeisterinnen Dorothea Deneke-Stoll und Petra Kleine haben ihre Unterstützung sowie ihre Teilnahme bei der Foto-Kampagnen-Session zugesagt. Bürgermeisterin Kleine äußert sich dazu: „Es ist erschreckend, in welchem Ausmaß Mädchen und Frauen aufgrund ihres Geschlechts körperliche und psychische Gewalt erfahren müssen – in der ganzen Welt und auch in Ingolstadt. Wir nehmen das nicht hin und machen dies am Tag gegen Gewalt sichtbar. So schaffen wir Aufmerksamkeit. Und natürlich geht es auch um Hilfe für die Frauen und Mädchen.“
Barbara Deimel, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Ingolstadt, freut sich über diese Solidarität und findet: „Gewalt gegen Frauen wird nach wie vor verharmlost, ignoriert und nicht genug beachtet. Das Schweigen zu brechen, über die Gewalt zu sprechen, ist der erste Schritt zu helfen. Schweigen hilft den Tätern.“

Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland ein gravierendes Problem. Jede dritte Frau ist von körperlicher und/oder sexueller Gewalt betroffen (Statista 23.6.2022). Die zuletzt kriminalstatistisch ermittelten Zahlen (2022) von Opfern häuslicher Gewalt:

  • Opfer von Tötungsdelikten: 702 Opfer (248 männlich und 454 weiblich), davon 239 Opfer von vollendeten Tötungsdelikten (58 männlich und 181 weiblich) sowie 463 Opfer von versuchten Tötungsdelikten (190 männlich, 273 weiblich)
  • Opfer von vorsätzlicher einfacher Körperverletzung: 135.502 Opfer (39.766 männlich und 95.736 weiblich)
  • Opfer von Bedrohung, Stalking und Nötigung: 57.376 Opfer (13.332 männlich und 44.044 weiblich)
  • Opfer von Freiheitsberaubung: 2.575 Opfer (437 männlich und 2.138 weiblich)
  • Opfer von gefährlicher Körperverletzung: 28.589 Opfer (11.277 männlich und 17.312 weiblich)

Die Zahlen von polizeilich registrierter häuslicher Gewalt steigen nahezu kontinuierlich an, in den letzten fünf Jahren um 13 Prozent. Doch viele Taten werden der Polizei nicht gemeldet, etwa aus Angst oder Scham.

Drastisch beschreibt Andrea Schlicht, Leiterin des Frauenhauses Ingolstadt, wie wichtig es ist, sich gegen Gewalt an Frauen zu positionieren: „Eine gebrochene Rippe, ein blaues Auge, Vergewaltigung, Morddrohungen… .Gewalt gegen Frauen passiert in allen Kulturen, Schichten und Religionen an einem Ort, an dem sich Menschen sicher und geborgen fühlen möchten - wir sind immer wieder schockiert. Wir als Gesellschaft, die Politik und jeder und jede Einzelne von uns sind in der Verantwortung für Frauen Sicherheit zu schaffen – eine konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention und ein allumfassendes Frauenunterstützungssystem ist dafür notwendig. Wir wollen ein Zeichen setzen und das Schweigen brechen.“
Aus der Sicht der Beratungsstelle bei sexualisierter Gewalt, Wirbelwind e. V., äußert sich Andrea Teichmann: „Sexualisierte Gewalt ist eine von außen beinahe unsichtbare Form der Gewalt, bei der Täter/ innen das Vertrauen von Kindern missbrauchen und/oder ihre Macht- und Abhängigkeitsposition zu erwachsenen Personen ausnutzen. Die sexuellen Handlungen erniedrigen und demütigen die Betroffenen. Viele sprechen aus Angst und Scham nicht über das Geschehene. Die langfristigen gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen dieser Form von Gewalt sind für unsere Gesellschaft gravierend.“
Evi Tietmann, Geschäftsführerin von pro familia Ingolstadt e. V. ergänzt hierzu: „Ein Leben ohne Gewalt und körperliche Unversehrtheit ist ein Menschenrecht. Gewalt beginnt schon im Kinderzimmer – Erziehung ohne Gewalt ist ein Menschenrecht.“

Das Kooperationsbündnis umfasst auch Service Clubs, wie Soroptimist Ingolstadt und Zonta Club Ingolstadt. Für Soroptimist Ingolstadt, legt deren Präsidentin Janine Liebel dar: „Gewalt an Frauen und Mädchen hat viele Gesichter. Es ist geht nicht nur um die offensichtliche körperliche Gewalt. Auch die Bedrohung, die Beschimpfung, die seelischen Verletzungen und die Demütigungen sowie sexuelle Belästigung und Stalking gehören dazu. Gewalt ist keine Privatangelegenheit, sie passiert überall.“
Zonta Club Ingolstadt, vertreten durch Präsidentin Sabine Bschorer erklärt: „Wir setzen uns weltweit gegen Gewalt an Frauen ein und engagieren uns ganz besonders auch hier in Ingolstadt. Wir sagen NEIN zu Gewalt gegen Frauen. Wichtig ist auch, dass wir den betroffenen Frauen und Mädchen Mut machen und ihnen zeigen: Du bist nicht allein!“.

Barbara Deimel ist es auch wichtig, dass die präventive Seite beleuchtet wird. Präventive Angebote, also Angebote an Männer, die psychische oder physische Gewalt gegen ihre (Ex-) Partner/-innen ausgeübt haben und die ihre Konflikte in der Partnerschaft zukünftig gewaltfrei lösen wollen. Die Fachstelle für Täter*arbeit des Münchner Informationszentrums für Männer e. V. (MIM) bietet ihr Unterstützungs- und Beratungsangebot in den Räumen des Bürgerhauses in Ingolstadt an. Jan van Calker von der Fachstelle MIM erklärt „Wichtig ist, dass Männer, die Gewalt ausüben, die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und durch ein Beratungsprogramm die Bereitschaft und Möglichkeit entwickeln, sich gegen eine erneute Gewaltanwendung zu entscheiden. Dabei begleiten und unterstützen wir Männer zum Beispiel mit Anti-Aggressivitäts-Trainings, unserem Täterprogramm bei häuslicher Gewalt oder auch Elternberatung bei häuslicher Gewalt.“

Die Kooperationspartnerinnen wollen mit vielen Menschen zusammen ein Zeichen gegen Gewalt setzen und betroffenen Frauen zeigen, dass sie nicht alleine sind. Ihnen soll Mut gemacht werden, sich aus der Gewalt zu befreien. Das Bündnis will auch Mitmenschen auffordern, hinzusehen und das Schweigen zu brechen. Es geht darum, die Gewalt konkret zu benennen und zu bekämpfen.

Mord, Totschlag, Körperverletzung, Bedrohung, Stalking, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung oder Zwangsprostitution sind die Facetten der Gewalt gegen Frauen. Neben der sogenannten häuslichen Gewalt, die von Partnern oder Expartnern ausgeübt wird, gibt es dann noch die Gewalt im öffentlichen Raum oder am Arbeitsplatz. Nach einer Studie im Auftrag des Bundesfamilienministerium geben 63 Prozent der Frauen an, dass sie schon einmal sexistische Übergriffe wahrgenommen haben oder selbst betroffen waren oder sind. Nach einer Befragung des Kinderhilfswerks Plan, fühlen sich Mädchen und Frauen in Großstädten zunehmend unsicher. Die Befragung hat deutlich gemacht, dass Mädchen und junge Frauen auch in deutschen Großstädten täglich sexuell belästigt, verfolgt, bedroht und beleidigt werden. Dadurch wird ihnen das Recht genommen, sich frei und sicher in den Städten zu bewegen.

Alle Hilfen:

Hilfetelefon 116 016
Bundesweit (und bald auch europaweit) steht das Hilfetelefon den betroffenen Frauen als auch Menschen im Umfeld zur Seite. Dort kann rund um die Uhr, an allen Tagen im Jahr und in 18 Sprachen über die Sorgen, Beobachtungen oder einen Verdacht gesprochen und beraten werden. Unter der Rufnummer 116 016 und über die Online-Beratung unter www.hilfetelefon.de  stehen professionelle Beraterinnen anonym, kostenlos und barrierefrei zur Verfügung.

Frauenhaus Ingolstadt, Telefon 0841 309700
Derzeit gibt es bundesweit fast 350 Frauenhäuser, davon auch eines in Ingolstadt. Dazu kommen bundesweit rund 600 Beratungs- und Interventionsstellen. Das Ingolstädter Frauenhaus der Caritas ist eine Schutzeinrichtung für Frauen und Kinder, die von häuslicher Gewalt betroffen sind und ist unter Telefon 0841 309700 rund um die Uhr erreichbar.

Beratungsstelle bei sexualisierter Gewalt Wirbelwind e. V., Telefon 0841 17353
Bei Wirbelwind erhalten Betroffene, Angehörige und Fachleute kostenfreie und auf Wunsch anonyme Beratung. Ebenso wird Präventionsarbeit und Unterstützung in Gruppen angeboten. Die Beratungsstelle ist auch per E-Mail erreichbar: beratungsstelle@wirbelwind-ingolstadt.de

Pro Familia Ingolstadt e. V., Telefon 0841 3792890
Pro Familie Ingolstadt berät unabhängig von Religion, Herkunft, Sexueller Orientierung oder Alter und bietet eine online Beratungsfunktion an: www.profamilia.de/angebote-vor-ort/bayern/ingolstadt

MIM Fachstelle für Täterarbeit in Ingolstadt, Telefon 0176 55206002
Die Fachstelle für Täter*arbeit des Münchner Informationszentrums für Männer e.V. (MIM) bietet ihr Unterstützungs- und Beratungsangebot in den Räumen des Bürgerhauses in Ingolstadt an. Informationen unter www.maennerzentrum.de/ingolstadt/

Gewalt gegen Frauen ist nicht abhängig von der Bildung, von der Staatsangehörigkeit oder vom Selbstbewusstsein der Frau. Am häufigsten erleben Frauen Gewalt im familiären Umfeld oder im sozialen Nahbereich. Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnet Gewalt gegen Frauen als eines der größten Gesundheitsrisiken von Frauen. Gewalt verletzt die Menschenwürde und hat für die Betroffenen und deren Angehörige weit reichende, oft jahrzehntelange Folgen für deren körperliche und psychische Gesundheit. Die Täter sind meist Ehemänner, Freunde oder Ex-Partner und der Anteil deutscher, männliche Staatsangehörige unter jenen lag bei den von der Kriminalstatistik erfassten Fälle im Jahr 2018 bei 78 Prozent. Die Folgekosten von Gewalt an Frauen ermittelte eine Kostenstudie (tredition 2017) mit 3,8 Milliarden Euro jährlich.

Gewalt gegen Frauen ist eine Menschenrechtsverletzung, die täglich und überall auf der Welt passiert. Auch in Deutschland und auch in Ingolstadt. Gewalt gegen Frauen hat körperliche, psychische und ökonomische Auswirkungen auf die Frauen und Mädchen sowie auf ihr persönliches Umfeld. Gewalt hält Frauen und Mädchen davon ab, gleichberechtigt am Leben teilzuhaben. In Deutschland wird jeden dritten Tag eine Frau von Ihrem (Ex-)Partner ermordet. Es werden jeden Tag mindestens neun Frauen von ihrem Partner vergewaltigt oder sexuell genötigt.
Jede dritte Frau erlebt im Verlauf ihres Lebens physische oder sexualisierte Gewalt – zumeist innerhalb, oft aber auch außerhalb einer Partnerschaft (sexuelle Belästigung nicht inbegriffen). 70 Prozent der Mädchen haben bereits Bedrohungen, Beleidigungen oder Diskriminierungen in den Sozialen Medien erlebt. Jährlich suchen etwa 16.000 Frauen mit fast ebenso vielen Kindern Zuflucht in ein Frauenhaus.

Die Europäische Union und 45 Mitgliedsstaaten haben die sogenannte Istanbul-Konvention unterzeichnet. Deutschland hat sie ebenfalls ratifiziert, so dass sie seit 2018 rechtsverbindlich ist. Die Konvention, die in Istanbul 2011 unterzeichnet wurde, ist ein Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Ziel des Pakts ist es, den Schutz von Mädchen und Frauen vor sexuellen Übergriffen und vor körperlicher und psychischer Gewalt in Europa zu verbessern. Weiter soll das Abkommen einen Beitrag dazu leisten, die Diskriminierung von Frauen zu beseitigen und die wirkliche Gleichstellung von Männern und Frauen zu gewährleisten.