Seiteninhalt
07.10.2023

Wie geht's dem Wald?

Im Neuhau wird an einem klimaangepassten städtischen Forst gearbeitet

Wer derzeit durch den städtischen Forst spaziert, wird das, was der städtische Forstamtsleiter Hubert Krenzler ausführt, zunächst nicht so ganz nachvollziehen können. Krenzler steht im Neuhau bei Stammham – der Wald dort ist seit Jahrhunderten im Eigentum der Stadt – inmitten von saftig-grünen Bäumen, der Wald scheint gesund, voller Leben. Doch: „Der Wald ist seit einigen Jahren im Stress“, sagt Krenzler und ergänzt: „Die Einschläge kommen immer näher, immer schneller, immer heftiger.“ Was den Forstamtsleiter beunruhigt: Der Klimawandel setzt dem Wald immer mehr zu. Die Hitze. Die Dürre. Die Stürme. Die Schädlinge. „Wir müssen langfristig denken. Es geht jetzt darum, die richtigen Weichen zu stellen, damit wir auch in 50, 80, 100 Jahren noch einen funktionsfähigen Wald haben“, erklärt Krenzler. Und diese Weichen, die müssen jetzt gestellt werden.

Wälder erfüllen eine ganze Reihe wichtiger Funktionen. Sie sind CO2-Speicher, sorgen für Biodiversität, dienen dem Menschen zur Naherholung, sind nicht zuletzt auch wichtiger Rohstoff-Lieferant. Es ist noch gar nicht so lange her, etwa 70 Jahre ungefähr, da bestand der städtische Forst fast vollständig aus Fichten und Kiefern. Rund 98 Prozent der Fläche nahmen diese Nadelbäume ein. Doch diese Monokultur hat schon lange keine Zukunft mehr. „Wir müssen den Wald breiter aufstellen, vielfältiger, mit vielen unterschiedlichen Baumarten. Nur so kann der Wald auch in Zeiten des Klimawandels stabil gehalten werden“, weiß Krenzler. Aktuell liegt der Nadelholz-Anteil noch bei 62 Prozent, 33 Prozent entfallen bereits auf Laubholz-Bäume. Bis zum Jahr 2040 soll dieser Anteil auf 42 Prozent weiter erhöht werden. „Wir haben jetzt schon deutlich mehr Mischbaumarten als früher und werden das weiter forcieren. Wir brauchen einen Wald, der aus vielen verschiedenen Baumarten zusammengesetzt ist – vor allem Baumarten, die mit der Klimaveränderung zurechtkommen.“ Es sind unter anderem die vielen trockenen Sommer hintereinander, die dem Wald zu schaffen machen. Aber auch heftige Sommergewitter mit Stürmen schädigen den Wald. Gleichzeitig begünstigen die steigenden Temperaturen die Ausbreitung von Schädlingen, wie zum Beispiel dem Borkenkäfer. Experten gehen davon aus, dass das Klima in den kommenden Jahrzehnten „wandert“: Bei uns werden dann immer mehr die klimatischen Bedingungen, wie sie heute in Südeuropa zu verzeichnen sind, Einzug halten.

Die Lösung des Problems für die Wälder bringt die Natur grundsätzlich von sich aus mit: Wenn sich das Klima ändert, ändert sich auch die Vegetation. So breiten sich hitzeresistentere Arten über natürliche Wanderungswege auch bei uns mehr und mehr aus. Bis diese aber hier angekommen sind, dauert es noch Jahrhunderte – Zeit, die der Wald nicht mehr hat. Ein Ansatz ist daher die „Assisted Migration“, also die unterstützte Wanderung. Hierbei werden gezielt Arten aus dem Süden, zum Beispiel Flaum- und Zerreichen, bei uns angepflanzt. Gleichzeitig werden aber auch trockenheitsliebende Baumarten, die in unseren Gefilden bereits vorkommen und heimisch sind, verstärkt eingebracht, etwa Roteichen und Elsbeeren. „Je mehr unterschiedliche Arten wir haben, umso widerstandsfähiger und stabiler gegen äußere Einflüsse ist der Wald“, so Krenzler. Damit auch die Enkelgeneration einen Wald erleben kann, wie wir heute: Grün, gesund und voller Leben